Fußball Aversion?
Aufgrund fehlenden TVs und nicht vorhandener Dauerbeschallung von Liveübertragungen in fast jeder Bar, bleibe ich als Exilant verschont von dem Getöse der Fußball-WM. Umso überraschter war ich dann auf meinen Deutschlandbesuchen. Die Welt steht Kopf.!Nürnberg - entspannt die Stadt anschaun – no way! Sie ist voller grölender Fans und Flatscreens. Kein entkommen.
Wien – ein Versuch im Chelsea zu feiern. Ok, die Indierockbar war auf Grund ihres Namens eine schlechte Wahl. Aber WM-Übertragung auf 10 Leinwänden (in jedem Raum 3) ist die Höhe. Wir wollten tanzen und dürften uns stattdessen das Aftergelaber anhören.
Southside – ein schönes, leeres Gelände und danach ein Lauf gegen die Massen. Ich tanze keinen Limbo unter einer Fußball-Deutschland-Flagge!
Es ist schön, wenn die Menschen etwas haben, was sie zusammenbringt und sie glücklich macht. Es ist auch schön, Deutschland als einen so guten Gastgeber zu erleben, auf so viele Kulturen im eigenen Land zu treffen. Warum braucht man dafür aber einen Ball? Ich verstehe diesen aufkeimenden Patriotismus, Fanatismus und die hegemoniale Sportkulturen nicht. Noch nie habe ich in Deutschland soviel schwarz-rot-gold gesehen, außer bei der Wiedervereinigung vielleicht. Schweißbänder, Trikots, Opa-Horst Hüte, Autoflaggen und alles schön im Einheitslook zur Deutschlandflagge, die im Wind mitschwingt. Wo kommt dieser plötzliche Nationalstolz her? Internationalität könnte ein Grund sein. Ich finde es jedoch schade, dass es in Deutschland einem Großereignis wie der Fußball-WM bedarf, um es aus seiner Lethargie und dem Dornröschenschlaf erwachen zu lassen und mal ein wenig Euphorie zu zeigen. Andere Länder brauchen auch keinen Grund, um sich nach der Arbeit einfach mal im Pub zu treffen und zu klönen. Die großartige Vermarktungsmaschinerie funktioniert, steigert den Euphemismus und fördert die konsumierende Haltung der Massenkultur. Bitte einmal Massenbegeisterung. Und zwar ’Jetzt!’. Und was wird übrig bleiben bis auf einen Titel? Ernüchterung, Alltag, alte Gewohnheiten, Webseiten ohne tausend Balltreter-Werbebanner, Bars mir guter Musik! Da komme ich wohl keine Woche zu früh nach Berlin.


























